Das elektronische Buch

»Er ist so prak­tisch, da muss ich nicht mehr kilo­wei­se Bücher mit­schlep­pen,
wenn ich in den Urlaub fahr‘.«

»Damit zu lesen ist nicht das­sel­be.
Ich brau­che ein­fach das Gefühl von Papier zwi­schen den Fin­gern …«

Sol­che Sät­ze hat man schon oft gehört, wenn es um den E‑Book-Rea­der geht. Die Mei­nun­gen über das fla­che, früh­stücks­brett­chen­gro­ße Gerät gehen nicht sel­ten aus­ein­an­der, bewe­gen sich zwi­schen Aner­ken­nung und Ableh­nung, reflek­tie­ren Prak­ti­ka­bi­li­tät und Nut­zungs­ge­wohn­hei­ten. Eines ist jedoch sicher: Der E‑Book-Rea­der ver­drängt das tra­di­tio­nel­le Buch aus Papier nicht. Die Umsatz­zah­len für das Gerät ent­wickeln sich nur lang­sam. Man könn­te mei­nen, Tablets, Smart­phones und Lap­tops wären eine zu gro­ße Kon­kur­renz. Schließ­lich kann man E‑Books auch auf ihnen lesen. Die Umsät­ze der E‑Books selbst ent­wickeln sich jedoch nur im Schnecken­tem­po. 2016 hiel­ten sie gera­de mal einen Anteil von 4,6 Pro­zent am gesam­ten deut­schen Publi­ka­ti­ons­markt.

Erfun­den, ver­ges­sen, wie­der­be­lebt

Dabei hat­te man Rea­der und E‑Books eini­ge Jah­re zuvor noch eine strah­len­de Kar­rie­re vor­aus­ge­sagt, von der Zukunft des Lesens war die Rede. Und tat­säch­lich boom­te das Geschäft auch eine Wei­le. Doch bevor es soweit war, muss­te der E‑Book-Rea­der erst erfun­den, dann wie­der fast ver­ges­sen wer­den und anschlie­ßend in neu­em tech­ni­schem Gewand auf­er­ste­hen: 1990 brach­te Sony ein Gerät auf den Markt, das die Fir­ma voll­mun­dig als »Elec­tro­nic Book« bezeich­ne­te. Unhand­lich, mit klei­nem LCD-Bild­schirm und phy­si­scher Tasta­tur, war dem Gerät, in das man Datei­en per Mini-CD-ROM ein­le­sen muss­te, kein gro­ßer Erfolg beschie­den. Das galt auch für eine gan­ze Rei­he von wei­te­ren Rea­dern und bis Mit­te der 2000er Jah­re kräh­te kein Hahn mehr nach dem »elek­tro­ni­schen Buch«.

Neue Technik …

Erst 2006 und im Fol­ge­jahr 2007 zeich­ne­te sich eine Wie­der­be­le­bung des E‑Book-Rea­ders ab. Zum einen gelang die Markt­rei­fe und Inte­gra­ti­on einer ande­ren Anzei­ge­tech­nik, dem soge­nann­ten elek­tro­ni­schen Papier, an dem man schon seit den 1970er Jah­ren forsch­te. Mit­hil­fe des »E‑Paper« wur­de die bis dato übli­che Hin­ter­grund­be­leuch­tung von Dis­plays über­flüs­sig und die Akku­lauf­zeit des Gerä­tes um Eini­ges erhöht. Der Clou: Elek­tro­ni­sches Papier ent­hält eine Flüs­sig­keit, die mit schwar­zen nega­tiv und wei­ßen posi­tiv gela­de­nen Mikro­par­ti­keln ange­rei­chert ist. Beim ein­ma­li­gen, kur­zen Anle­gen einer elek­tri­schen Span­nung kön­nen die Par­ti­kel syste­ma­tisch ange­ord­net wer­den. Vor­mals wei­ße Punk­te wer­den zu schwar­zen, da, wo vor­her die wei­ße Sei­te war, sind nun schwar­ze Buch­sta­ben­ko­lon­nen – kei­ne wei­te­re Strom­zu­fuhr ist mehr nötig. Das Ergeb­nis kann sich sehen las­sen: ein Schrift­bild mit hoher Auf­lö­sung, gut les­bar, auch bei stärk­ster Son­nen­ein­strah­lung. Mit der neu­en Anzei­ge­tech­nik und den klei­ne­ren Akkus redu­zier­te sich gleich­zei­tig auch das Gesamt­ge­wicht des E‑Book-Rea­ders auf weni­ge hun­dert Gramm.

… und wirtschaftlicher Erfolg

Neben der tech­ni­schen Inno­va­ti­on brauch­te es aber noch einen wei­te­ren Fak­tor, um den Rea­der kom­mer­zi­ell erfolg­reich zu machen. Die­ser erschien 2007 in Gestalt des E‑Book-Rea­ders »Kind­le« von Ama­zon, zunächst in den USA. Das Unter­neh­men nutz­te dafür die neue E‑Pa­per-Tech­nik. Eben­so wich­tig war jedoch, dass Ama­zon auch gleich das dazu­ge­hö­ri­ge tech­ni­sche wie kom­mer­zi­el­le »Öko­sy­stem« mit­brach­te: Zeit­gleich mit der Ver­öf­fent­li­chung des Rea­ders ging ein umfang­rei­cher E‑Book-Shop an den Start, der schon zu Beginn – nach eige­nen Anga­ben des Unter­neh­mens – mit 1.125.000 Büchern und Zeit­schrif­ten bestückt war. Das Kau­fen und Her­un­ter­la­den von E‑Books via Inter­net direkt auf das Gerät wur­de so zu einer ein­fa­chen und beque­men Pro­ze­dur. Die­se Kon­fi­gu­ra­ti­on – bestehend aus Hard­ware, Inter­net­an­schluss und E‑Shop – mach­te Schu­le und seit Ende der 2000er Jah­re brach­ten wei­te­re Kon­zer­ne ähn­li­che Rea­der auf den Markt. In Deutsch­land spran­gen auch die Buch­händ­ler Tha­lia und Welt­bild mit eige­nen Gerä­ten auf den Zug auf.

Kritik und Akzeptanz

Neben sei­nen guten Eigen­schaf­ten – platz­spa­rend, strom­spa­rend, gut les­bar, bar­rie­re­frei – muss sich der Rea­der aber auch immer wie­der Kri­tik gefal­len las­sen. So behal­ten sich etwa die Anbie­ter von E‑Book-Rea­dern vor, das Lese­ver­hal­ten ihrer Kun­den zu über­wa­chen. Durch die Ver­net­zungs­fä­hig­keit der Gerä­te ist neben die­ser Über­wa­chung auch das nach­träg­li­che Ver­än­dern oder Löschen von Inhal­ten mög­lich. So gesche­hen 2009, als Ama­zon unan­ge­kün­digt eine Anzahl von Büchern von den Rea­dern sei­ner Kun­den lösch­te, da den ent­spre­chen­den Ver­le­gern die Ver­öf­fent­li­chungs­rech­te fehl­ten. Zur Kri­tik gehört wei­ter­hin, dass man beim Kauf eines E‑Books zumeist eine kopier­ge­schütz­te Datei bekommt und nur deren Nut­zungs­recht – aber nicht die Datei selbst – erwirbt.

Trotz all der Kri­tik­punk­te: Das elek­tro­ni­sche Buch und sein Lese­ge­rät ent­wickeln sich lang­sam. In Deutsch­land ist sei­ne Akzep­tanz zwar nied­ri­ger als etwa in den USA oder Groß­bri­tan­ni­en. Aber auch hier­zu­lan­de, so zeigt eine Bit­kom-Stu­die, lesen rund ein Vier­tel der Deut­schen zumin­dest »hin und wie­der« ein E‑Book. Dabei ist der Rea­der jedoch nur ein Lese­ge­rät von vie­len. Der Trend geht auch hier zum syn­chro­nen Lesen auf meh­re­ren Gerä­ten, auf E‑Reader, Smart­phone, Tablet und Lap­top. Mög­lich macht es die Syn­chro­ni­sa­ti­on über Cloud-Ser­ver. Hier wer­den Inhal­te und Ein­stel­lun­gen wie Schrift­grö­ße oder Lese­zei­chen gespei­chert und auto­ma­tisch mit dem jewei­lig genutz­ten Lese­ge­rät syn­chro­ni­siert.


Zuerst ver­öf­fent­licht in: Stif­tung Deut­sches Tech­nik­mu­se­um Ber­lin, Freun­de und För­de­rer des Deut­schen Tech­nik­mu­se­ums Ber­lin e.V. (Hg.): Deut­sches Tech­nik­mu­se­um Ber­lin, Heft 2, Ber­lin 2017.

Abbil­dung: ifixit.com


Lite­ra­tur:

Bit­kom e. V.: Die Nut­zung von E‑Books, 2016. (Stand 20.05.2017)

War­ner, Ans­gar: Vom Buch zum Byte – die Geschich­te der E‑Books, 2013. (Stand 20.05.2017)